Erinnerungskultur als Dimension gesellschaftlichen Zusammenhalts

Erinnerungskultur als Dimension gesellschaftlichen Zusammenhalts

Organisatoren
Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt; Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.11.2021 - 23.11.2021
Url der Konferenzwebsite
Von
Juri Mertens, Zentrum für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin

Das 2020 neu gegründete Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) beleuchtet Aspekte unterschiedlicher Perspektiven und Zugänge zur Erforschung gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das Institut umfasst verschiedene Forschungsfelder, in denen standortübergreifend kooperiert wird. Die Fachtagung wurde vom Forschungsfeld Erinnerung ausgerichtet. Leitend für die Tagung war die Frage, ob Gruppen oder Kollektive Vergangenheit bzw. Erinnerung überhaupt brauchen, um zusammenzuhalten, und inwiefern sich ein Wandel in der Erinnerungskultur vollzieht.

MATHIAS BEREK (Berlin) gab in einem theoretischen und konzeptuellen Einführungsvortrag einen ersten Überblick über den Kontext der Diskussionen über Zusammenhalt und Erinnerung des Jahres 2021. Dabei stachen zwei Momente besonders heraus: die Debatte über das in diesem Jahr, zwölf Jahre nach Veröffentlichung, auf Deutsch erschienene Buch „Multidirektionale Erinnerung: Holocaustgedenken im Zeitalter der Dekolonisierung“ des US-amerikanischen Literaturwissenschaftlers Michael Rothberg und die vom australischen Historiker Dirk Moses ausgelöste Feuilletondebatte über einen angeblichen „Katechismus der Deutschen“. Berek definierte Erinnerungskultur als „Gesamtheit aller Handlungen und Prozesse, die das kollektive Gedächtnis, seine Sinnstrukturen und seine materiellen Artefakte erhalten und ausbauen“, indem mit ihnen Vergangenheit repräsentiert werde. Erinnerungskultur sei gebunden an erinnernde Kollektive sowie an gegenwärtige Motive, Interessen und situative Kontexte. Sie folge bestimmten Eigendynamiken und begründe in ihrer Funktion eine gesellschaftlich konstruierte Wirklichkeit, deren institutionelle Ordnung sie legitimiert. Erinnerungskultur sei demnach auch ein normatives, neutrales Werkzeug, dazu fähig, Gesellschaften zu stabilisieren, aber ebenso das Gegenteil zu bewirken. Eine umstrittene Frage bleibt, ob Erinnerungskultur dazu dienen kann, Gesellschaften zu „heilen“ und zu Versöhnung zu führen. Berek hielt fest, dass es nicht „die eine“ Erinnerungskultur geben könne, da dies die Pluralität der Erinnerungskollektive in Frage stellen würde.

In der Diskussion wurde der Begriff der Hegemonie ins Spiel gebracht. Erinnerung könne auch ein Kampf um Aufmerksamkeit und Macht sein, um die Dominanz eines Kollektivs zu unterstreichen. Laut Berek sei es daher wichtig, die Akteure und ihre Motive zu benennen, um Verallgemeinerungen zu vermeiden. Es sei von Bedeutung, die Hegemonie von partikularen Gruppen über Erinnerungskultur zu verhindern, da dies gesellschaftlichen Zusammenhalt verunmögliche.

Das erste Panel widmete sich dem Verhältnis und den Zusammenhängen verschiedener Erinnerungskollektive in einem globalen und transnationalen Kontext. Dabei wurde das dynamische Feld in den Blick genommen, in dem unterschiedliche postnationale erinnerungskulturelle Kontexte aufeinander Bezug nehmen und sich somit auf nationale Erinnerungspolitiken auswirken. In den Panelvorträgen wurden bestimmte Fallbeispiele und Forschungsstände präsentiert.

THERESE MAGER (Leipzig) untersuchte die kollektive Erinnerung in Frankreich an den Algerienkrieg (1954–1962). Im Fokus standen marginalisierte Perspektiven und Gruppen, die für eine produktive und kritische Erinnerung an den Algerienkrieg in der Vergangenheit bedeutend waren und sich häufig aus Betroffenen der von Frankreich begangenen Verbrechen oder deren Nachfahren zusammensetzten. Sie stünden im Gegensatz zu einem jahrzehntelangen Schweigen in der französischen Gesellschaft bezüglich begangener Menschenrechtsverletzungen. Ein weiterer Aspekt in Magers Vortrag war der Versuch rechtspopulistischer Akteur:innen, wie der Partei Rassemblement National (RN), sich die Erinnerung an den Algerienkrieg zu eigen zu machen, um in besagten Gruppen an Zustimmung zu gewinnen.

MAN ZHANG (Leipzig) stellte dar, inwieweit sich die deutsche Erinnerung an den Holocaust als Vergleichsfolie für die Aufarbeitung des Maoismus eignet. Dabei gälte besonders die offiziell artikulierte „universelle Reue“ in Deutschland als Orientierungspunkt, um soziale Versöhnung zu erzeugen. Im chinesischen Kontext hat die Geschichte des Holocaust stets Erinnerungen an die maoistische Gewaltherrschaft ausgelöst. Es zeigten sich multidirektionale Bezüge, wenn die chinesische Perspektive auf die deutsche Vergangenheit bezogen und deren „Bewältigung“ in den chinesischen Kontext gestellt wird.

ANNA POLLMANN (Konstanz) untersuchte das 1966 gegründete sogenannte Russel-Tribunal (auch Vietnam War Crimes Tribunal) und stellte es in den Kontext des von Michael Rothberg entwickelten multidirektionalen Erinnerungsarchivs. Das Russel-Tribunal versuchte an andere bedeutende Prozesse wie zum Beispiel die Nürnberger Prozesse oder den Eichmann-Prozess und die dort entwickelten Grundlagen des Völkerrechts (Benennung eines Genozids) anzuknüpfen. Nach Pollmann zeigten sich hier Lesarten multidirektionaler Erinnerung, da versucht wurde, unter vergleichender Bezugnahme auf andere Ereignisse den Begriff des Genozids zu reformieren, um ihn auf das postkoloniale Vietnam zu übertragen. Pollmann problematisierte die multidirektionalen Bezüge im Fall des Tribunals, da es unter anderem den Genozidbegriff verallgemeinere und gegebenenfalls den Holocaust relativiere. Sie hob hervor, dass historische Vergleiche und die Anwendung multidirektionaler Perspektiven in der Nachkriegszeit eine gängige Praxis darstellten.

Das zweite Panel widmete sich dem Wandel in der Erinnerung an die DDR und die Wiedervereinigung der Bundesrepublik. Rassismus, rechte Gewalt („Baseballschlägerjahre“) und migrantische, jüdische und PoC-Perspektiven sowie die Ohnmachts- und Abwertungserfahrungen von ehemaligen DDR-Bürger:innen sind zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Demgegenüber steht eine neurechte Geschichtspolitik, die seit den 1990er-Jahren nicht nur den Status des Holocaust-Gedenkens in der Berliner Republik angreift, sondern auch die Tradition der DDR-Bürgerrechtsbewegung im Rahmen des Kampfes für eine völkische Ordnung in Anspruch zu nehmen versucht. Das Panel zeichnete einige der skizzierten, durchaus widersprüchlichen Entwicklungslinien nach und bezog sie aufeinander.

FELIX AXSTER (Berlin) untersuchte den Arbeitskampf der Kalikumpel 1993 in Bischofferode und die Erinnerungskultur vor Ort. Nach Axster waren die Arbeitskämpfe der Postwendezeit im kollektiven Gedächtnis seit jeher unterrepräsentiert. Empirische Grundlagen waren Zeitzeugeninterviews, die teilweise vor Ort durchgeführt wurden. In der Erinnerung an die Kalikumpel werde eine kollektive Selbstwirksamkeit der Akteur:innen sichtbar. Die Forschung über Arbeitskämpfe wolle differenzierte Geschichtsbetrachtung fördern, die dem Standardnarrativ einer ungebrochenen Erfolgsgeschichte der Wiedervereinigung entgegenlaufe. Allerdings besäßen die Arbeitskämpfe ebenso das Potential, eine positivere Erinnerung an die Wiedervereinigung aus DDR-Perspektive in die deutsche Erinnerungskultur zu implementieren. Ein Museum in Bischofferode, das an die Arbeitskämpfe erinnert und von ehemaligen Kalikumpeln betrieben wird, stehe für den Erhalt einer kollektiven Wirksamkeit, auch trotz der „Niederlage“.

ANJA THIELE (Jena) ging auf den Kontext neurechter Deutung und Aneignung der Geschichte Ostdeutschlands und der DDR ein. Im Fokus stand besonders die in den 1990er-Jahren formierte neurechte Bewegung der „selbstbewussten Nation“. Diese nutzte die Dämonisierung der DDR und die Verdammung des Sozialismus als Instrument, den Nationalsozialismus zu relativieren sowie linke Politik generell zu delegitimieren. Thiele verwies auf aktuelle Dynamiken und Aktionen mit Bezug auf die DDR, wie die Selbstviktimisierung von Rechten, wenn sie sich als Opfer einer Umerziehungspolitik in einem sozialistischen Regime wähnen, oder die Wahlkampfaktion „Wende 2.0“ der AfD. Die neue Rechte tendiere dazu, die ostdeutsche Identitätspolitik zu vereinnahmen, z.B. über Unzufriedenheit mit den Transformationsprozessen seit der Wende.

INES GRAU (Konstanz) beschäftigte sich mit der Perspektive einer weiteren unterrepräsentierten Gruppe der DDR: den sogenannten Vertragsarbeiter:innen, von denen die meisten aus Vietnam und Mosambik kamen. Mithilfe von Interviews untersuchte sie die Auswirkungen von Mauerfall und Wiedervereinigung auf Vertragsarbeiter:innen, die sich in Form von Entlassungen, Neuverhandlung der Abkommen mit den Herkunftsländern, Abschiebung bis hin zu freiwilliger Rückkehr ausdrückten. Außerdem waren rassistische Gewalt und die permanente potenzielle Gefahr durch ein feindseliges Umfeld innerhalb der Vertragsarbeiterkollektive ein bestehendes Thema. Grau stellte fest, dass Vertragsarbeiter:innen in besonderer Weise vom Umbruch betroffen waren und dass ihre Perspektive in den Verhandlungen zur deutsch-deutschen Zukunft weitestgehend unsichtbar geblieben ist. Nach Grau seien die biographischen Hintergründe der Vertragsarbeiter:innen bisher in der Forschung nicht präsent. Dabei würden sie Kontinuitäten und Muster aufzeigen, die sich auch in anderen Migrationsgeschichten wiederfinden ließen.

In der Roundtable-Diskussion diskutierten Dan Diner (Jerusalem/Leipzig), María do Mar Castro Varela (Berlin) und Bénédicte Savoy (Berlin) über das Verhältnis des Holocausts zu den kolonialen Verbrechen und was dieses für das Gedenken in der Berliner Republik bedeutet. Diner forderte größere begriffliche Präzision ein, auch wenn es schwer sei, „zwischen Tod und Tod“ zu unterscheiden. Doch sei eine Differenzierung notwendig zwischen ethnischer Säuberung, Massenmord und dem „absoluten Genozid“, wie ihn die Shoah darstelle mit dem Bestreben ihrer Akteur:innen, „alle und überall“ zu ermorden und bloß „erbenloses Eigentum“ zu hinterlassen. Savoy lenkte die Diskussion auf die Rolle von Museen, die sie als Gefäße der nationalen Erinnerung betrachtet. Abgründe nationaler Erinnerung seien zudem nur ergründbar, wenn man Zugang zu den Materialien bzw. den Objekten habe und diese transparent mache. Savoy sah in der geforderten absoluten Transparenz von Museen eine schwere Aufgabe, da diese aufgrund des zu zeigenden Leids nur schwer aushaltbar scheine. Varela kritisierte den Begriff „multidirektional“, da er einen zu einfachen Ausweg aus den Debatten bieten würde („Wir denken an alle“) und machte sich stattdessen für den Begriff der Verflechtung stark. In pluralen Gesellschaften würden immer unterschiedliche Geschichten bzw. Erinnerungen aufeinandertreffen und automatisch auch Konkurrenzen verursachen. Jedoch erschließe sich ebenso immer die Option auf eine gleichwertige Parallelität.

Das dritte Panel beschäftigt sich mit aktuellen Entwicklungen in der deutschen Erinnerung an den Nationalsozialismus. In Deutschland gibt es einerseits, trotz immer weiter bestehender Schuldabwehrbemühungen in Teilen der Bevölkerung, eine etablierte und allgemein akzeptierte Erinnerungskultur, die auch international Anerkennung findet. Andererseits zeigen aktuelle Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung eine Konjunktur von NS-Verklärungen und -Relativierungen wie auch die Artikulierung antisemitischer Ressentiments und Verschwörungstheorien.

JULIA SCHULER (Leipzig) stellte eine Gruppendiskussionsstudie vor, die Kontinuitäten des Antisemitismus sowie den Umgang mit Antisemitismus in Deutschland untersuchte. Die homogene Zusammenstellung der Gruppen geschah auf Grundlage einer Telefonbefragung bezüglich ihrer Vorurteilsneigung bzw. ihrer erfahrenen Diskriminierung. In den Gruppen mit ähnlicher Vorurteilsneigung stellten antisemitische Ressentiments die größte Gemeinsamkeit und einen Konsens dar. In Gruppen mit ähnlicher Diskriminierungserfahrung war es auffällig, dass auch wenn nicht konkret über die Shoah gesprochen wurde, sprachliche Bezüge und nationalsozialistisches Vokabular verwendet wurden („Endlösung“, „totales Auswandern“).

IMMO FRITSCHE und ANNEDORE HOPPE (Leipzig) beleuchteten in ihrer experimentalpsychologischen Forschung die gesellschaftliche Akzeptanz der deutschen Täterrolle. Sie gingen von der These aus, dass es in Deutschland ein motiviertes Festhalten am kollektiven Täterstatus gäbe, das auf der „group based control theory“ und dem grundlegenden Bedürfnis nach Kontrolle und Zugehörigkeit beruhe. Auf diese Weise werde nicht nur eine Zugehörigkeit geschaffen, sondern ebenso eine Motivation für eine Versöhnung mit den Opfern, um moralisch akzeptiert zu werden und dadurch seinen Selbstwert zu erhalten. In der Diskussion wurden noch weitere Motive einer möglichen Täterakzeptanz genannt, wie eine allgemeine moralische Entlastung sowie die Schuldwahrnehmung als Grund für ein bestimmtes politisches Verantwortungsbewusstsein.

MICHAEL PAPENDICK (Bielefeld) präsentierte Ergebnisse einer repräsentativen Telefonbefragung, mit der empirisch festgestellt werden sollte, welche Perspektiven auf die Zeit des Nationalsozialismus in der Bevölkerung existieren. Das interdisziplinäre Projekt verband Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik und Sozialpsychologie. Bei den Fragen wurde versucht, sich dem Begriff „Erinnerungskultur“ anzunähern. Inhaltliches Wissen, praktizierte Auseinandersetzung, Emotionen sowie generelle Einstellungen zu Erinnerungskultur wurden abgefragt. Eine Erkenntnis war, dass es weiterhin eine verzerrte Perspektive auf die Involviertheit in die Verbrechen des Nationalsozialismus in Bezug auf den familiären Kontext wie auch auf die Involviertheit der Allgemeinbevölkerung gibt. Ein weiteres Ergebnis war, dass ein Bewusstsein für historische Kontinuitäten wie rassistische Angriffe und Anschläge bei fast der Hälfte der Befragten wenig bis gar nicht ausgeprägt ist.

Im vierten Panel ging es um den Wandel der Erinnerung in einer pluralen, globalisierten und postmigrantischen deutschen Gesellschaft. Der Wandel ist umkämpft; völkische und konservative Kräfte zum Beispiel agieren abwehrend und reaktionär. Gleichwohl scheint sich allmählich die Erkenntnis durchzusetzen, dass die Erinnerungskultur und -politik der „Gesellschaft der Vielen“ von Diversität gekennzeichnet ist, und dass es notwendig ist, die vielschichtigen historischen Erinnerungen aufeinander zu beziehen und bestenfalls zu integrieren.

SINA ARNOLD (Berlin) erörterte Erinnerungskonkurrenzen und die Möglichkeiten von Multidirektionalität in der historisch-politischen Bildungsarbeit. Dabei stützte sie sich auf Leitfadeninterviews mit Multiplikator:innen, die in der Bildungsarbeit tätig sind. Im Zentrum stand die Fragestellung, ob sich einerseits bei Themen Konkurrenzen und Trennungen von Erinnerung zeigen. Zudem wurde untersucht, ob sich Gemeinsamkeiten oder Verflechtungen andeuten, die eine Identifikation für Migrant:innen mit bestimmten Ereignissen der deutschen Geschichte ermöglichen. In der Praxis habe die historisch-politische Bildungsarbeit realisiert, dass es einer anderen Ansprache sowie anderer Angebote für junge Menschen mit Migrationsgeschichte bedarf.

MARIA ALEXOPOULOU (Berlin) beschäftigte sich mit der Schwierigkeit, Rassismus zu erinnern, und mit der Frage, ob es einer neuen deutschen Identitätsgeschichte bedarf. Offizielle oder inoffizielle Erinnerungen an rassistische oder antisemitische Terrorakte würden entweder ignoriert oder als Nestbeschmutzung empfunden. Es könne zu einem Missverhältnis kommen, wenn einerseits Kapital aus Holocausterinnerung gezogen wird, während es auf der anderen Seite Abwehr und Ignoranz gegenüber aktueller rassistischer und antisemitischer Gewalt gebe. Eine These aus der Diskussion war, dass aktuelle rassistische und antisemitische Gewalt schwieriger zu akzeptieren sei als ein historisches, scheinbar abgeschlossenes Ereignis. Alexopoulou konstatierte, dass Erinnerungsarbeit in Deutschland ohne migrantische Akteur:innen nicht möglich und vorstellbar sei. Aus einer demokratiepolitischen Perspektive hätten Migrant:innen das Recht auf einen Teil der „Ressource“ Erinnerung.

Die Fachtagung hat deutlich gemacht, dass es viele Facetten im Wandel von Erinnerungskultur zu betrachten und zu erforschen gibt. Der Sorge, dass durch den Wandel etwas verloren geht, dass die Erinnerung an den Holocaust sich vermindert, stehen sichtbar gewordene Chancen gegenüber. Das Aufzeigen von Verflechtungen oder Gemeinsamkeiten in der Geschichte ermöglicht einen Austausch zwischen unterschiedlichen Erinnerungskollektiven. Die Entwicklungen der letzten zehn Jahre (rechter Terror, AfD) haben gezeigt, dass Bündnisse geschlossen werden müssen, um einen gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erreichen und dem Populismus entgegenzutreten. Gedenkstätten, Forschung und Bildungsarbeit sind Teile dieser Bündnisse.

Konferenzübersicht:

Einführungsvortrag

Mathias Berek (Berlin): Zusammenhalt durch oder trotz Erinnerung? Über die schwierige Beziehung zweier unklarer Begriffe

Moderation: Christoph Gollasch

Panel I: Erinnerung global

Moderation: Mathias Berek (Berlin)

Therese Mager (Leipzig): Kollektives Gedächtnis, Erinnerungspolitik und Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen

Man Zhang (Leipzig): Apologizing Like the Germans? Dealing With the Violent Past in Today’s China

Anna Pollmann (Konstanz): Kritische Materialsichtung. Das Vietnam War Crimes Tribunal 1966/67 im Archiv multidirektionalen Erinnerns

Panel II: Erinnerung an DDR und Wende

Moderation: Sina Arnold (Berlin)

Felix Axster (Berlin): „Bischofferode ist überall“: Zur Erinnerung an die Arbeitskämpfe der Wende- und Postwendezeit

Anja Thiele (Jena): Wir sind das Volk. DDR-Erinnerung und neurechte Geschichtspolitik

Ines Grau (Konstanz): „Wir waren nicht existent“: Mauerfall und Postwendezeit aus der Perspektive von einstigen DDR Vertragsarbeiter:innen

Roundtable (in Kooperation mit der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft des Leo-Baeck-Instituts in der Bundesrepublik Deutschland)

Moderation: Stefanie Schüler-Springorum (Berlin)

Zwischen Singularität und Verflechtungsgeschichte. Erinnerungspolitische Kämpfe um Shoah, Kolonialismus und Bedürfnisse der Gegenwart

Dan Diner (Jerusalem/ Leipzig), María do Mar Castro Varela (Berlin) und Bénédicte Savoy (Berlin)

Panel III: Erinnerung an den Nationalsozialismus

Moderation: Anna Pollmann (Konstanz)

Julia Schuler (Leipzig): Kontinuitäten des Antisemitismus in Post-NS-Deutschland

Immo Fritsche / Annedore Hoppe (Leipzig): Experimentalpsychologische Forschung zu Täterrollen

Michael Papendick (Bielefeld): Verzerrte Perspektiven auf die Zeit des Nationalsozialismus?

Panel IV: Erinnerung in der postmigrantischen Gesellschaft

Moderation: Felix Axster (Berlin)

Sina Arnold (Berlin): Marginalisierte Multidirektionalität: Erinnerungskonkurrenz und Ermöglichungsbedingungen in der politisch-historischen Bildungsarbeit

Maria Alexopoulou (Berlin): Die Schwierigkeit, Rassismus zu erinnern

Zusammenfassung und Ausblick